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Zu Gast beim Bike Brainpool

Regelmäßig über den Tellerrand zu schauen gehört zu den Dingen, die eigentlich unverzichtbar sind, denen man aber wegen Zeitmangel gerne mal ausweicht.

Insbesondere dann, wenn die Einladung zur Horizonterweiterung noch mit einem eigenen Beitrag, in Form eines Impuls-Vortrags, kombiniert wird.

So war das Angebot von Ulrike Saade – die Organisatorin des Bike Brainpool – einen kurzen Vortrag zum Thema E-Commerce zu halten erstmal schmeichelhaft. Allerdings waren damit auch viel Arbeit und eine gewisse Fallhöhe verbunden, schließlich gehörten zu den Referenten Verkehrsminister Winfried Hermann, der Internetstores-COO Ralf Kindermann und der Wirtschaftswissenschaftler sowie E-Commerce Koryphäe Gerrit Heinemann.

Der Bike Brainpool (BBP) beschreibt sich selbst als »ein Kreis engagierter und namhafter Vertreter der Fahrradbranche, die über Wettbewerbs- und Verbandsgrenzen hinweg am gemeinsamen Ziel arbeiten, das ›Fahrradfahren‹ zu fördern«. Am 15. und 16. Oktober war BBP-Mitglied Paul Lange der Gastgeber und die beiden Themenfelder waren »Mobilität der Zukunft« und »E-Commerce und Omnichannel-Handel«.

Für den Chronisten waren die beiden Tage ausgesprochen lehr- und aufschlussreich und zwar unter völlig verschiedenen Gesichtspunkten.

Mobilität der Zukunft

Es ist bewundernswert, wie der Grüne Verkehrsminister Winfried Hermann, trotz heftiger Anfeindungen, weiterhin an seiner Fahrrad-Überzeugung festhält, denn abgesehen vom Zufußgehen »ist die Fahrrad-Mobilität nicht nur die umweltfreundlichste, sondern auch die preiswerteste Mobilität«. Das von Hermann vorgestellte Fahrrad-Verkehrskonzept ist für das Auto-Bundesland Baden-Württemberg durchaus ambitioniert, auch wenn es dem P.-Lange-Chef und leidenschaftlichen Radverkehr-Verfechter Bernhard Lange zu wenig ist und ihm alles zu langsam geht.

Als Alltagsradler kann man dem Lange-Chef nur zustimmen, allerdings wurde in dem Vortrag auch klar, dass das Land sehr stark auf den Bund, die Landkreise und Kommunen angewiesen ist (Subsidiarität-Prinzip) und die Prozesse eine langsame und zähe Angelegenheit sind –, vom wünschenswerten Kulturwandel in den Köpfen ganz zu schweigen.

Doch es bewegt sich auch etwas. Vor einem knappen Jahr waren der neue Weil der Städter Bürgermeister Schreiber und die Beigeordnete Widmaier bei uns zu Besuch und jetzt am 22. Oktober kommt es zum ersten »Runden Tisch Radverkehr« mit dem neuen Fahrradbeauftragten der Stadt!

E-Commerce

Den eher zähen und langsamen Entwicklungen in der Verkehrspolitik steht die unglaubliche Schnelligkeit und Dynamik des globalisierten E-Commerce gegenüber. Wurde die erste Revolution durch das WWW ausgelöst, folgt nun die zweite Revolution durch das internetfähige Smartphone und das damit einhergehende zu jeder Zeit, an jedem Ort und sofort.

Es ist geradezu atemberaubend, wenn man die rasante Veränderung der Handelsstrukturen und des Kaufverhaltens sowie die neuen und immer höheren Anforderungen (Omnichannel…) an den Handel mal so geballt aufbereitet bekommt, wie im Vortrag des Wirtschaftswissenschaftlers Heinemann. Kaum ein gutes Haar ließ Heinemann an den großen deutschen Handelskonzernen und dem deutschen Einzelhandel. Wenn dann noch eloquente und charmante Supermänner wie Kindermann ihr phänomenales Erfolgsrezept präsentieren (120.000 Räder 2014), dann fühlt man sich zumindest in diesem Umfeld und Kontext ziemlich (und berechtigt) bedeutungslos.

Transformation

Die spannende Frage ist nun, was hat das alles mit Velotraum zu tun?

Hinsichtlich der Verkehrspolitik ist es vergleichsweise einfach. Da leben wir weiter unsere Überzeugung und radeln einfach vor, um wie viel praktischer und beglückender es ist Fahrrad zu fahren. Und wir werden auch weiterhin jede Gelegenheit nutzen in »Politik und Gesellschaft« für das Fahrradfahren zu werben.

Etwas schwieriger ist es auf der unternehmerischen Seite. Zum einen entspricht die Velotraum-Unternehmensphilosophie durchaus den Megatrends wie Individualisierung, Glaubwürdigkeit, Kundennähe, Partnerschaft usw.; andererseits und überspitzt formuliert, werden wir von Umsatz- und Expansions-getriebenen Entwicklungen überrollt. Wir sitzen zwar in einer kleinen und feinen Nische, allerdings sind wir der Überzeugung, dass selbst Nischen von den globalen und gesellschaftlichen Umwälzungen nicht verschont bleiben.

Wir lassen uns davon (nach einer kurzen Phase der Einschüchterung) jedoch nicht Bange machen, nehmen aber diese Veränderungen sehr ernst und werden sie in Zukunft nicht mehr aus den Augen verlieren. Sicherlich wird Velotraum auch in Zukunft kein expansionsgetriebenes Unternehmen werden. Allerdings werden wir uns genauer überlegen, wie wir von diesen neuen Entwicklungen und Anforderungen lernen können, ohne unsere bisherige Geschäftsphilosophie in Frage stellen zu müssen. Ganz im Gegenteil, auch in unseren vermeintlichen Domänen gibt es noch genügend Spielraum besser zu werden. Dementsprechend lautete die Überschrift des Velotraum-Veranstaltungsbeitrags auch: »In der Nische dem E-Commerce die Stirn bieten.«

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