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Traum- und Genusstour vom Bodensee zum Königssee

Fünf Tage auf einer der landschaftlich schönsten Radreiserouten durchs deutsche – genauer: überwiegend bayrische – Voralpenland.

Bei schönem Wetter, wie ich es hatte, ist der Bodensee-Königssee-Radweg in jedem Fall ein Traum. Wie sehr Genuss, hängt allerdings sehr von der »individuellen« Umsetzung und Voraussetzungen ab ;-)

Die gut 400 Kilometer lange Route mit über 3.300 Höhenmetern selbst brauche ich an dieser Stelle sicherlich nicht zu beschreiben, dazu findet man eine Vielzahl an Informationen im Internet, zum Beispiel hier.

EM-Flaute oder Carpe diem

Die letzte EM-Woche bescherte wie gehabt etwas Luft im Betrieb, die Wettervorhersage klang viel versprechend (…Hitzerekord), also nichts wie los. Schon letztes Jahr wollte ich diese Strecke fahren, damals war die Wettervorhersage aber so schlecht, dass ich auf den Mainradweg ausgewichen bin.

Tag 1

Als ich am Mittwoch Nachmittag in Lindau aus dem Zug steige, empfängt mich der Bodensee mit all seiner touristischen Pracht und zwar so geballt, dass ich gleich das Weite suche. Nur wenige Kilometer hinter dem Seeufer tut sich, wenn man den stillen Straßen des Bodensee-Königssee-Weg folgt, eine völlig andere Welt auf. Idylle pur, zumindest aus der Fahrradsattel-Perspektive. Preis für die Abgeschiedenheit der Strecke: Auf den ersten 40 Kilometer finde ich keine Einkaufsmöglichkeit und es rächt sich der überstürzte Aufbruch in Lindau. Andererseits hätte ich aber so nie den schönen Biergarten bei Malaichen kennen gelernt.

Bis nach Immenstadt schaffe ich es an diesem Tag. Wind, Landschaftseindrücke und das Hochgefühl unterwegs zu sein, haben mich einfach und irgendwie immer weiter geschoben. Ungläubig vernehme ich den Zimmerpreis des (einfachen) Hotels: 30,00 € mit Frühstück. So was gibt’s also auch noch!

Tag 2

Angesichts der Wettervorhersage – 30 Grad und mehr – sitze ich um acht Uhr auf dem Rad. Aus Immenstadt heraus zu finden/fahren ist ein wenig zäh – die übliche Eckenhatz. Ab Kranzegg wird es dafür wieder wunderschön. Sicher, die Oberschenkel brennen inzwischen ob der unzähligen kleinen aber meist gemeinen Anstiege recht deutlich. Die eiszeitlichen und charakteristischen Landschaftswellen, die es zu überwinden gilt, haben die fatale Eigenschaft harmlos zu beginnen und immer steiler zu werden. Bis nach Haag in der Nähe des Rotachsee – einem künstlichen See zur Wasserstandsregulierung von Donau und Iller – gilt es immerhin 200 Höhenmeter netto zu überwinden. Immerhin bin ich inzwischen zur Einsicht gelangt, dass zur Überwindung dieser auch mal längeren und steilen Rampen, die Benutzung des kleinen Kettenblatts nicht verkehrt und ehrenrührig ist, zumal hinten nur eine 11–28 Kassette montiert ist…

In Hopfen am gleichnamigen See, gehe ich eine Runde schwimmen und abkühlen, danach in Füssen noch Kaffee & Kuchen und die Wasserflaschen wieder Rand voll füllen – mehr braucht’s bei der Hitze nicht. Die Tourismus-Granaten der Region – Neuschwanstein usw. – lasse ich links liegen. Nach Halbblech wird es wieder einsam. Im Zickzack geht es auf zum Teil holprigen Kieswegen in Richtung »Königstraße«, die mit ihrem ebenfalls recht groben Kiesbelag anstrengend zu fahren ist, trotz meiner dicken 2-Zoll-Reifen. In Bad Kohlgrub finde ich dafür ein sehr nettes Gästehaus mit gut gefülltem Gäste-Getränke-Kühlschrank. – Unglaublich, wie nach so einem Tag, ein 0,5-Liter-Radler schon in der Speiseröhre zu verdampfen scheint. Genieße den lauen Abend lesend auf meinem Balkon, über das EM-Schicksal der Deutschen informieren mich zuverlässig die verzweifelten Aufschreie aus den umliegenden Häusern.

Tag 3

Morgens so gegen sechs geht ein Gewitter los, zwei Stunden sieht es nach Weltuntergang aus, aber das Gewitter tobt sich an anderer Stelle aus und als ich um halb zehn das Lindenbach-Tal hinunter rolle, heizt die Sonne schon wieder kräftig vom Himmel. Bis nach Grafenaschau, vorbei am Murnauer Moos, bietet die Strecke wiedermal grandioses Landschaftskino. Danach Gegenwind und eine etwas eintönige Strecke mit viel Kieswege-Anteil, der einem nach dem Regen ganz schön die Kraft aus den Beinen saugt. Kuriosität am Streckenrand: die Bartlmämühle, ein gigantisches Open-Air-Trödel-Areal.

Vom Kochelsee geht es über sonnig-heiße Kieswege zur imposanten Klosteranlage Benediktbeuern. Angesichts der Ausmaße der Anlage und dem gemütlichen, schattigen und bewirteten Kräutergarten, beschränkt sich mein Kulturprogramm auf Kaffee & Kuchen und dem Plausch mit dort Brotzeit machenden Seminarteilnehmerinnen. Nach Bad Tölz kommt dann der anstrengendste Streckenabschnitt an diesem Tag: der Kiesweg hinauf nach Marienstein und dem Golfresort, hoch über dem Tegernsee gelegen. Dass hier überwiegend MTB-Fahrer unterwegs sind, kommt nicht von ungefähr, die Strecke ist holprig und der letzte Kiesweganstieg ist mit Gepäck an der Grenze zur Fahrbarkeit. Die letzten Reserven fordert dann der steile Anstieg – immerhin auf Asphalt – zum luxuriösen Golfresort. Hier liefere ich mir ein »Schnecken-Wettrennen« mit einem Straßenreinigungsfahrzeug. Danach habe ich mir die Abkühlung im Tegernsee mehr als verdient und statt Schwimmeinlage begnüge ich mich mit der Pose »Toter Mann«.

Tag 4

Der Samstag sollte der heißeste Tag werden und so verkneife ich mir nach den ersten zehn Kilometern die morgendliche Schwimmeinlage im Schliersee, trotz der vielen noch leeren und lockenden Badestellen direkt am Radweg. Die Strecke von Fischbach bis Bad Feilnbach ist ein weiterer Höhepunkt der Tour, trotz des dunstigen Backofenwetters (…Sahara-Staub laut Wetterdienst). Die Route macht hier zwar zwischen Hundham und Bad Feilnbach eine gewaltige Schleife, aber der »Umweg« auf den fast autofreien Nebenstraßen ist wunderschön. Zumal es einen gewaltigen Unterschied fürs Vorankommen macht, ob man auf einem alle paar hundert Meter einen Haken schlagenden Kiesweg oder einer richtigen Straße unterwegs ist, insbesondere wenn es tendenziell auch noch bergab geht.

In Neubeuern am Inn muss ich für einige Zeit aus der prallen Sonne, da kam das einladende Haschl‘s Café seinem schattig-lauschigen Außenbereich genau richtig. Knapp 20 Kilometer weiter fühle ich mich schon wieder wie eine Dörrpflaume und suche für zwei Stunden Abkühlung im Moorfreibad von Aschau – was für eine Wohltat. Danach geht’s wieder. Bis Siegsdorf vergieße ich noch die eine oder andere Schweißperle, um dann trotz warmem Hotelzimmer und durchgelegener Matratze wie ein Stein zu schlafen.

Tag 5

Das Beste an meinem Hotel in Siegsdorf war, dass es schon ab sieben Uhr so was ähnliches wie ein Frühstück gab. Denn um 14:20 Uhr sollte ich in Berchtesgaden in den Zug nach Hause einsteigen. Ich war dann aber doch überrascht, wie viele Radler schon sonntags um acht Uhr den Radweg an der Traun entlang bevölkerten. Auf den Landschaftswellen zwischen Traunstein und Teisendorf war ich dann wieder allein auf der Strecke und nur die allgegenwärtigen Kühe schauten und freuten sich über die Abwechslung im Landschaftsbild. Vor dem wunderschön gelegenen Höglwörther See wieder holprige Kieswege, aber ein Bad im von Seerosen umrankten und angenehm temperierten See entschädigt für alles. Während man sich am Höglwörther See in einem kleinen Paradies wähnt, donnert eine Hügelkette weiter die A8 durchs Voralpenidyll. Besonders krass erlebbar, wenn man den Marktplatz des Örtchens Anger, mit seiner stolz aufragenden Kirche, in Richtung Bad Reichenhall verlässt.

Flugs geht es dann bis nach Bad Reichenhall. In der fein herausgeputzten Stadt hat mir beim Durchrollen ganz besonders die Alte Saline gefallen und das zugehörige, stil- und geschmackvolle Cafe. Zudem ist die nähere Umgebung der Salz-Stadt (Salz war gleichbedeutend mit Reichtum) nur so gespickt mit Attraktionen – auch Salzburg liegt nur einen doppelten Steinwurf entfernt – hier könnte man glatt mal Urlaub machen ;-)

Vor dem Königssee gibt es nochmals eine echte Hürde zu überwinden. Während der Radweg erst der gleichmäßigen Steigung der Bundesstraße folgt, werden die letzten 100 Höhenmeter per Direttissima bewältigt. Gut, dass ab da ein kräftiger Rückenwind mich nach Berchtesgaden schiebt. Zum Königssee hinauf dann nochmals Schotter und natürlich viele Fußgänger und Radfahrer, an einem Sonntag auch nicht anders zu erwarten. Ebenso wie ein voller Riesenparkplatz und Volksfeststimmung. Aber ich komme mal wieder, an einem schönen Herbsttag, montags oder so…

Tipps zur Tour

Bei schönem Wetter gerät man schon mal in Entscheidungsnöte. Soll man weiterfahren, da es hinter jeder Kuppe noch Schöneres zu entdecken gibt, einkehren, besichtigen, baden… oder einfach nur auf einem Bänkle sitzen und staunen und genießen. Also zwei Wochen kriegt man locker rum mit der Vielzahl an Attraktivitäten und Möglichkeiten auf, oder links und rechts der Strecke.

Aufgrund der vielen und zum Teil sehr knackigen Steigungen, sollte man einigermaßen trainiert sein oder sich auf gelegentliche Schiebepassagen einstellen. Das hat auch die hiesige Tourismusindustrie erkannt und setzt ihre überwiegend reiferen Gäste verstärkt auf E-Bikes. Allerdings habe ich auf der Tour nur einen Radreisenden mit E-Bike gesehen. Auch sonst hielt sich der Ansturm von Reiseradlern in Grenzen, mit Ausnahme der Stellen, an der sich mehrere Routen überschneiden.

Die Ausschilderung ist tendenziell gut, allerdings sind die Schildchen für Fahrer, die etwas schneller unterwegs sind viel zu klein und schwer erkennbar, insbesondere wenn gleich auf ein halbes dutzend Wege hingewiesen wird. Eine Karte oder GPS ist dennoch unerlässlich, da man die Ausschilderung manchmal nur findet, wenn man weiß, wo es hingeht ;-)

Zum Fahrrad. – Unbedingt breite Reifen montieren, da die vielen Kieswege doch meist recht holprig und zum Teil auch tief sind. Ich war mit einem Schwalbe Kojak-Slickreifen in zwei Zoll Breite unterwegs. Auch auf dieser Tour wollte ich Vorzüge des Rennlenkers nicht missen, allenfalls STI-Schalthebel wären nicht schlecht, da man häufig und überraschend schalten muss.

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